31. Mai 2023

Nachhaltigkeit in der Schweiz

Referat anlässlich der GS1 Excellence Days vom 31.5.2023

Geschätzte Damen und Herren

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Alle wollen nachhaltig sein. In Umfragen geben Schweizerinnen und Schweizer regelmässig an, dass ihnen Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen ist. Ein grosser Teil der Bevölkerung will nachhaltig produzierte Lebensmittel essen, nachhaltige Mode tragen und viele finden einen nachhaltigen Lebensstil wünschenswert. Auch immer mehr Unternehmen geben an, dass sie sich auf Nachhaltigkeit ausrichten. Ja: Das Thema Nachhaltigkeit geht alle etwas an: Die Einwohnerinnen und Einwohner, die öffentliche Hand, aber auch die nichtstaatlichen Organisationen und insbesondere natürlich die Unternehmen.

Was läuft denn eigentlich aktuell auf politischer Ebene in der Schweiz und in der EU? Welche Regulierungen sind im Gange, die darauf hinwirken, die Schweizer Wirtschaft nachhaltiger zu machen? Und ganz konkret fragen Sie sich vielleicht: Wie können unsere Schweizer Unternehmen, wie kann mein eigenes Unternehmen dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Wie und unter welchen Bedingungen soll diese Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit verlaufen?

Gerne gebe ich einen kleinen Überblick in die Nachhaltigkeitsziele der Schweiz sowie über die aktuellen politischen Diskussionen – über Beschlüsse und Massnahmen, die bereits gefällt wurden oder die nächstens anstehen, um diese Ziele zu erreichen.

Ich hole dafür ein bisschen aus und werfe uns im Zeitenstrahl gedanklich etwas zurück, ins Jahr 2015:

Leitlinie: Agenda 2030

Im Jahr 2015, am 25. September, hat die UNO-Generalversammlung nämlich eine eminent wichtige Resolution verabschiedet: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Kernstück der Agenda 2030 sind die 17 Ziele und 169 Unterziele.

Diese Sustainable Development Goals – kurz SDGs – sollen bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden. Das heisst, dass alle Staaten gleichermassen aufgefordert sind, die drängenden Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen. Auch die Schweiz ist aufgefordert, die Ziele der Agenda 2030 national umzusetzen. Eine wichtige Zielsetzung ist, dass Anreize geschaffen werden, damit nichtstaatliche Akteure vermehrt einen aktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Die Agenda 2030 nimmt alle Akteurinnen und Akteure in die Pflicht: Staat und Institutionen, Kantone und Gemeinden, Privatsektor, Zivilgesellschaft sowie alle Bürgerinnen und Bürger.

Die drei Dimensionen der SDGs

Die Agenda 2030 trägt allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – nämlich der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Dimension – in ausgewogener Weise Rechnung. Hier sehen Sie die 17 Ziele gruppiert nach ihrer Dimension. Zuunterst die ökologische Dimension, in der Mitte die soziale Dimension und zuoberst die wirtschaftliche Dimension. Die Agenda 2030 führt zum ersten Mal Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung in einer Agenda zusammen. Der Bund hat eine Strategie erarbeitet, um diese Ziele zu erreichen. Die Strategieerarbeitung betrifft aber nicht nur die Bundesebene.

Auf allen drei politischen Ebenen – Bund, Kanton, Gemeinde – muss Nachhaltigkeit in Form von Strategien und Beschlüssen verankert werden. Jeder Kanton hat eine Nachhaltigkeitsstrategie und auch viele Gemeinden weisen eine solche auf. Diese Strategien greifen stufenweise ineinander – sie sind vertikal integriert. Das gewährleistet ein einheitliches Vorgehen.

Diese Strategien sind nicht einfach Beschäftigungstherapie für Politikerinnen und Politiker. Man muss sich bewusst sein:

Diese Nachhaltigkeitsstrategien sind Investitionen in die Zukunft! Denn die Bewahrung der Biodiversität und der Schutz der Böden, die Bereitschaft, neue Geschäftsmodelle auf der Grundlage der Kreislaufwirtschaft zu versuchen, die Stärkung der Vielfalt in Unternehmen, der Verzicht auf fossile Brennstoffe oder das Bekenntnis zu einer urbanen Umwelt, in der es sich angenehm leben lässt, sind alles Bemühungen, die die Attraktivität der Schweiz erhöhen.

Schwerpunkte der Schweiz

Zur Agenda 2030 hat die Schweiz Schwerpunkte erarbeitet. Im Sommer 2021 hat der Bundesrat seine Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 – die SNE 2030 – verabschiedet. Darin zeigt der Bundesrat auf, welche Schwerpunkte er bei der Umsetzung der Agenda 2030 in den nächsten zehn Jahren setzen will. Zu den SNE 2030 gibt es Aktionspläne, zurzeit läuft der Aktionsplan 2021-2023. Zu jedem Schwerpunkt sind auch Gesetzesänderungen geplant oder bereits beschlossen. Ein paar Beispiele.

Die ökologische Dimension: Klima, Energie und Biodiversität
Hier hat sich der Bundesrat als erstes Schwerpunktziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die klimabedingten Auswirkungen zu bewältigen. Wir stehen kurz vor der Abstimmung über das Klimaschutzgesetz. Dieses will das Ziel Netto-Null bis 2050 gesetzlich verankern und Zwischenziele für die Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr setzen. Weiter wird bald das neue CO2-Gesetz in der ständerätlichen Energiekommission beraten.
Ein zweites Schwerpunktziel betrifft die Energie: Der Energieverbrauch soll gesenkt, die Energie effizient genutzt und erneuerbare Energien ausgebaut werden. Dazu diskutiert das Parlament momentan das Gesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Zudem soll der bereits beschlossene «Solarexpress» und der «Windexpress» für einen schnellen Photovoltaik- und Windanlagenzubau sorgen.
Beim dritten Ziel geht es darum, die biologische Vielfalt zu erhalten, nachhaltig zu nutzen, zu fördern und wiederherzustellen. Dazu berät der Ständerat in der aktuellen Session den indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative.

Die ökonomische Dimension: Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion
Das Ziel in diesem Bereich ist es, die Unternehmensverantwortung im In- und Ausland zu stärken. Sie erinnern sich wohl noch an die Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative. Hier ist der indirekte Gegenvorschlag nach wie vor pendent. In der EU ist das Lieferkettengesetz bereits beschlossen.

Was bedeuten all diese Regulierungen und Regulierungsbestrebungen für Schweizer Unternehmen?

Ich habe es einleitend gesagt: Nachhaltigkeit ist in aller Munde, alle wollen nachhaltig sein. Aber: Es reicht nicht mehr, sich einfach mit dem Label Nachhaltigkeit zu schmücken– nun müssen überall und in allen Unternehmen Taten folgen. Da Sie heute hier sind, gehe ich davon aus, dass Ihr Unternehmen zu den progressiveren gehört. Aber leider gibt immer noch zu viele Unternehmen, die sich zwar Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben, im Alltagsgeschäft aber trotzdem weitgehend weitermachen wie bisher.

Denn Sie haben es gehört: Der Handlungsdruck steigt – und zwar von allen Seiten: Einerseits sind es die sozialen und ökologischen Problemfelder, die sich global immer weiter zuspitzen: Ich nenne nur drei: Armut, Klimakrise, Artensterben. Der Druck steigt von Seiten Politik, aber auch von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten und von Investorenseite – sie alle fordern überprüfbare Nachhaltigkeit. Wer sich nicht darauf einlässt und mit der Zeit geht, riskiert massive geschäftliche Nachteile. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass early movers, also Unternehmen, die von sich aus bereits vor Jahren auf Klimatauglichkeit und Nachhaltigkeit geachtet haben, ein wichtiges Differenzierungsmerkmal verlieren, wenn sie stehen bleiben, wo sie sind.

Take aways

Wie sollten sich Unternehmen mit Blick auf die aktuellen politischen Diskussionen – und auch mit einem Blick über die Grenze in die EU – ausrichten und welche Themen aktiv verfolgen? Wie können Sie mithelfen, dass die Schweiz ihre strategischen Nachhaltigkeitsziele erreicht?

Ich empfehle Ihnen:

•       Die CO2-neutrale Schweiz wird Tatsache: Gehen Sie deshalb voran, nutzen Sie die Anreize, die die Politik geschaffen hat!

•       Schauen Sie, dass Ihr Unternehmen seinen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit leistet: Bekämpfen Sie Verschwendung, werden Sie energieeffizient und produzieren Sie Eigenstrom!

•       Bauen Sie zirkuläre Geschäftsmodelle auf. Schauen Sie, dass die Herstellung Ihrer Produkte möglichst wenig Ressourcen verschlingt und diese nach ihrem langen Leben möglichst vollständig rezikliert werden können.

•       Sorgen Sie mit Standards für transparente Lieferketten. Dies ist in Hinblick auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit besonders wichtig, und ich denke, dass der heutige Tag Ihnen auch Inspiration auf den Weg gibt.

Kurzum:

Sehen Sie die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit und all die Regulierungen als Chance! Bleiben Sie nicht stehen auf dem Erreichten, sondern nutzen Sie die Anreize, die die Politik für die Unternehmen setzt, aktiv, setzen Sie auf standardisierten Datenaustausch und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit und richten Sie sich progressiv aus.

Ich danke allen für Ihr Engagement für mehr Nachhaltigkeit.