19. Dezember 2022

Sessionsrückblick Dezember 2022

Ausbildungsoffensive in der Pflege, «Ja heisst Ja», keine Stärkung der Kaufkraft

Foto: Caritas Bern/Simon Boschi

Ein Meer voller Lichter strahlte letzten Samstag auf dem Bundesplatz: als Zeichen der Solidarität mit Armutsbetroffenen. Die jährliche Solidaritätsaktion «eine Million Sterne» der Caritas berührt und macht betroffen. Über 722'000 Menschen in der Schweiz gelten als arm. Fast noch einmal so viele leben nur sehr knapp über der Armutsgrenze. Die Teuerung und die steigenden Energiepreise verschärfen die Situation der Betroffenen zusätzlich. Das Parlament hätte es in der vergangenen Wintersession in der Hand gehabt, wirksame Massnahmen gegen Armut zu beschliessen. Leider kam es anders.

Viele Enttäuschungen in der Wintersession…
Keine höheren Prämienverbilligungen, kein indirekter Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative, keine 13. AHV-Rente: Im Herbst hatte die SP im Nationalrat gemeinsam mit der Mitte-Partei einen Vorstoss zur Erhöhung der Bundesbeiträge für individuelle Prämienverbilligungen durchgebracht – eine wirksame Massnahme, um die unteren und mittleren Einkommen gezielt zu entlasten. Die Mitte-Ständeräte haben sich nun um diese Abmachung foutiert und die Vorlage bachab geschickt. Zudem wollte der Ständerat nicht einmal auf den vom Nationalrat bereits beschlossenen indirekten Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative eintreten. Ein Trauerspiel! Ebenfalls keine Chance hatte die Initiative für eine 13. AHV-Rente, die der Nationalrat in der dritten Sessionswoche beraten hat. Armutsgefährdete Personen würden stark von einer solchen Rentenerhöhung profitieren und müssten nicht mehr «bittibätti» für Ergänzungsleistungen machen. Und als ob das alles nicht genug wäre, droht auch die Reform der beruflichen Vorsorge zu scheitern.

Kantonale Mindestlöhne in Gefahr: Zu einem Frontalangriff auf die Kaufkraft der Arbeitnehmenden im Tieflohnbereich und ihrer Familien kam es im Nationalrat. Dieser will die kantonalen Mindestlöhne, wie sie Neuenburg, Genf, Jura, Tessin, Basel-Stadt eingeführt haben, aushebeln. Sie sollen nicht mehr gelten, wenn diese höher sind als die Mindestlöhne gemäss allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen. Dabei zeigen Studien die positive Wirkung von Mindestlöhnen deutlich auf.

…einige Aufsteller
Ausbildungsoffensive in der Pflege: Der Nationalrat hat die erste Etappe der Umsetzung der Pflegeinitiative verabschiedet. Die Ausbildungsoffensive soll den Spitälern und Heimen zum dringend benötigten Pflegepersonal verhelfen. Das ist aber nur der erste Teil: Für bessere Zustände in den Pflegeberufen braucht es dringend Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen! Die Umsetzung der zweiten Etappe der Pflegeinitiative muss deshalb jetzt subito angegangen werden.

Nur Ja heisst Ja: Im Nationalrat konnten wir einen wichtigen Zwischenerfolg feiern: Die «Nur Ja heisst Ja»-Regelung soll im Sexualstrafrecht verankert werden. Das stärkt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Es ist ganz einfach und eine Selbstverständlichkeit: Mit sexuellen Handlungen müssen alle Beteiligten einverstanden sein. Nun muss der Ständerat über die Bücher. Er hat sich im Frühling für die «Nein heisst Nein»-Regelung ausgesprochen.

Zwei persönliche Erfolge durfte ich verbuchen: Meine Motion für eine grüne Wasserstoffstrategie wurde an den Bundesrat überwiesen. Auch meiner parlamentarischen Initiative für einen neuen Straftatbestand Cybermobbing hat der Nationalrat Folge gegeben – als nächstes entscheidet die Rechtskommission des Ständerats darüber.

Und sonst?
In dieser Session kamen wir gar nicht mehr aus dem Feiern heraus, ein Apéro jagte den nächsten: Feier des Nationalratspräsidenten, Fraktions-Weihnachtsessen, Feier des Bundespräsidenten, Feier der beiden neu gewählten Mitglieder des Bundesrats... Wobei ich sagen muss, dass an solchen Apéros jeweils viel Politik gemacht wird und man die noch fehlenden nötigen Stimmen für Mehrheiten oft an solchen informellen Anlässen zusammenbringt.
Die Bundesratswahlen haben uns in den letzten Wochen stark beschäftigt. Ich bin bedaure sehr, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Umwelt- und Energiedepartement verlässt. Sie war für viele Jahre eine prägende Figur. Die umsichtige und überlegte Art, wie sie ihre Geschäfte vorangetrieben hat, habe ich sehr geschätzt. Gleichzeitig freue ich mich über die Wahl meiner Kollegin Elisabeth Baume-Schneider und weiss, dass sie das anspruchsvolle Amt kompetent und voller Elan ausführen wird. Es bleibt zu hoffen, dass der neue UVEK-Vorsteher Albert Rösti die 180 Grad-Wende schafft und sich vom Energiewende-Blockierer der letzten Jahre zum Energiewende-Ermöglicher wandelt.

Neue Vorstösse
Das Watson-Ranking setzte mich kürzlich auf Platz 3 der fleissigsten Parlamentarier:innen;) Auch in dieser Session habe ich einige Vorstösse eingereicht und den Bundesrat um Antworten zu wichtigen Themen gebeten.
Interpellation: Recht auf Homeoffice
Fragestunde: Reservekraftwerk Birr: Was unternimmt der Bundesrat, damit dieses möglichst mit grünem Wasserstoff betrieben werden kann?
Interpellation: Mit leiseren Pneus für weniger Strassenlärm sorgen
Interpellation: Lärmblitzer-Pilotprojekte durchführen
Fragestunde: Wie und durch wen wird die Konformität von rechtlichen Bestimmungen mit der Behindertenrechtskonvention überprüft?

So, das war es schon mit meinem kurzen Überblick über die Wintersession. Nun wünsche ich dir von Herzen schöne, lichterfüllte Feiertage.

Mit den besten Wünschen fürs 2023,
Gabriela

P.S.: Caritas Aargau sammelt Spenden für armutsbetroffene Personen in unserer Region. Vielleicht magst du einen Beitrag leisten? Hier kannst du spenden. Herzlichen Dank!