5. Mai 2021

Votum zur Initiative «Organspende fördern – Leben retten»

Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies künftig explizit festhalten müssen. Angehörige sollen aber eine Organspende ablehnen können.

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Wir behandeln heute hier im Rat ein hochemotionales, ein ethisches Thema. Schliesslich geht es darum, mit den eigenen Organen Leben retten zu können. Leben retten – das wollen wahrscheinlich die meisten. Aber: Leben retten mit den eigenen Organen, nach dem eigenen Tod? Da gehen die Meinungen auseinander. Es ist deshalb absolut zentral, dass sichergestellt wird, dass der Wunsch der oder des Verstorbenen berücksichtigt wird.
In der Schweiz kommt heute die sogenannte Zustimmungslösung zur Anwendung. Die Grundeinstellung dabei ist, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass Organe nicht gespendet werden. Nur wenn man den Aufwand auf sich nimmt, seinen Willen zu Lebzeiten zu äussern, wird von einer Zustimmung ausgegangen. Wenn keine Willensäusserung vorliegt, müssen die Angehörigen zusammen mit dem Spitalpersonal den mutmasslichen Willen des oder der Verstorbenen ergründen. Das ist ein schwieriger Prozess, ein sehr belastender Prozess für die Angehörigen, wobei letztlich nicht sichergestellt ist, dass man dem Willen des oder der Verstorbenen auch tatsächlich gerecht wird.
Das führt dazu, dass in der Schweiz über zwei Drittel der Angehörigen eine Organspende ablehnen, und zwar, obwohl gemäss einer repräsentativen Umfrage drei von vier Menschen in der Schweiz einer Organspende gegenüber positiv eingestellt sind. Vor allem der Umstand, dass der Entscheid der verstorbenen Person nicht bekannt ist und somit die nächsten Angehörigen stellvertretend im Sinne der verstorbenen Person entscheiden müssen, führt zu dieser im europäischen Vergleich sehr hohen Ablehnungsrate.
Die Initiative und der Gegenvorschlag wollen jetzt das Grundprinzip umdrehen. Nicht, wer seine Organe spenden will, soll aktiv werden, sondern die Minderheit, die gegen die Organspende ist, soll den Aufwand auf sich nehmen, dies in einem Register einzutragen. Das wird dazu führen, dass deutlich mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen werden und mehr Leben gerettet werden können. Im Gegensatz zum Gegenvorschlag lässt die Initiative die Rolle der Angehörigen aber gänzlich ausser Acht. Das ist für mich nicht vertretbar, das geht mir zu weit. Kaum jemand setzt sich gerne mit der eigenen Vergänglichkeit auseinander. Die vorgesehene verstärkte Aufklärungsarbeit ist absolut richtig und wichtig. Trotzdem zweifle ich daran, dass verstärkte Aufklärungsarbeit dazu führen wird, dass die allermeisten Menschen sich damit auseinandersetzen, ob sie ihre Organe nach ihrem Ableben zur Verfügung stellen wollen oder nicht. Es wird immer Menschen geben, die das Thema verdrängen, die den Entscheid hinauszögern. In diesem Fall ist es eben wichtig und richtig, dass die Angehörigen ein Widerspruchsrecht haben.
Über 1500 Menschen in der Schweiz warten momentan auf ein Spenderorgan. Wir brauchen mehr Spenderorgane, um diese Leben retten zu können. Wir sollten aber sichergehen können, dass der Wunsch der Verstorbenen wirklich auch berücksichtigt wird. Das ist mit der Initiative nicht der Fall.
Ich bitte Sie deshalb, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen und dem Gegenvorschlag mit der erweiterten Widerspruchslösung zuzustimmen.

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