17. Dezember 2019

Votum zur Pflegeinitiative

Meine erste Rede im Nationalrat

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Mein erstes Votum im Nationalrat hielt ich zur Initiative «Für eine starke Pflege»:

Der Pflegenotstand ist in vielen Institutionen leider bereits bittere Realität. Mein 32-jähriger Kollege, der als diplomierter Pflegefachmann auf einer stationären Abteilung im Spital arbeitet, fasst die Situation an seinem Arbeitsplatz folgendermassen zusammen: Sie hätten zu wenig Personal, zu viele Patientinnen und Patienten, der Zeitdruck sei enorm, es werde dauernd unter Stress gearbeitet. Die Gefahr, dass Fehler gemacht würden, sei dadurch viel grösser. Sie könnten die Patientinnen und Patienten teilweise nur noch abfertigen. Für Gespräche, die eigentlich zu einer guten Betreuung gehörten, bleibe keine Zeit. Wenn sich das nicht bald ändere, überlege er sich ernsthaft, sich neu zu orientieren. Er könne seinen Berufsauftrag nicht mehr in der Qualität erfüllen, wie er sich das vorstelle. So weit das Zitat meines Kollegen.
Ich erinnere Sie ungern daran, aber es ist leider so: Wir alle hier im Saal werden wohl irgendeinmal auf qualifiziertes Pflegepersonal angewiesen sein. Ich frage Sie: Möchten Sie von Personal gepflegt und betreut werden, das unter permanentem Zeitdruck auf einer chronisch unterbesetzten Station arbeiten muss? Ehrlich gesagt: ich lieber nicht!
Die Zukunft im Pflegebereich sieht nicht rosig aus. Ohne Gegenmassnahmen wird sich die Situation in den nächsten Jahren noch weiter verschlimmern. Es ist simpel: Immer mehr Menschen werden immer älter. Diese Entwicklung führt dazu, dass in zehn Jahren etwa 65 000 Pflegende fehlen werden; dies ist die Schätzung des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner.
Es besteht also akuter Handlungsbedarf. Das haben nicht nur die Initiantinnen und Initianten erkannt, die die Unterschriften für ihre Initiative in Rekordzeit gesammelt haben, sondern erfreulicherweise auch die vorberatende Kommission. Es müssen doppelt so viele Pflegende ausgebildet werden, wie dies momentan der Fall ist, um die Pflegequalität zu sichern und zu verbessern. Dazu braucht es eine Ausbildungsoffensive, wie sie der indirekte Gegenvorschlag der Kommission auch vorsieht.
Wir haben es heute in der Hand, den indirekten Gegenvorschlag sogar noch zu verbessern und die Forderungen der Initiative in ihn einzuarbeiten. Wo muss der indirekte Gegenvorschlag nachgebessert werden? Dies ist in drei Bereichen der Fall:

  1. Die Ausbildungsoffensive darf nicht auf acht Jahre befristet werden. In dieser kurzen Zeit können die Massnahmen noch gar nicht alle richtig greifen.
  2. Die Kantone müssen zwingend dazu verpflichtet werden, Ausbildungsbeiträge zu leisten, um Pflegefachkräften eine höhere Ausbildung zu erleichtern. Kann-Formulierungen haben in Gesetzen nichts zu suchen.
  3. Es müssen wirklich auch genügend Bundesgelder gesprochen werden.
    Ich bitte Sie entsprechend, den Minderheitsanträgen zuzustimmen. Nur so kann diese Ausbildungsoffensive auch wirklich gelingen.
    Nun müssen wir aber nicht nur mehr Pflegende ausbilden, wir müssen auch dafür sorgen, dass die Pflegefachmänner und -frauen in ihrem Beruf bleiben. Dazu braucht es noch zusätzliche Massnahmen, und deshalb unterstütze ich neben dem indirekten Gegenvorschlag auch die Initiative. Welche zusätzlichen Massnahmen braucht es, um die Abwanderung aus den Pflegeberufen zu stoppen? Oder anders gefragt: Wann bleiben eigentlich die Menschen in ihrem erlernten Beruf? Dazu gibt es viele Studien, und sie alle sagen: Die Leute verbleiben in ihrem Beruf, wenn sie ihre Arbeit als attraktive, sinnstiftende Tätigkeit erleben, wenn sie gute Arbeitsbedingungen mit positiven Zukunftsperspektiven haben, wenn die geleistete Arbeit entsprechend wertgeschätzt wird. Und dazu gehört selbstverständlich und insbesondere auch eine angemessene Entlöhnung. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die gerechte Entlöhnung sind zentrale Massnahmen, welche die Initiative auch fordert. Und dies kann entsprechend jetzt so in den indirekten Gegenvorschlag eingearbeitet werden.
    Ich bitte Sie: Stoppen Sie den Pflegenotstand und stimmen Sie sowohl dem indirekten Gegenvorschlag als auch der Initiative zu!

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