30. September 2022

Warum es den Rettungsschirm für Stromunternehmen braucht

Das Schweizer Parlament beschloss am 30. September 2022 einen Kreditrahmen von zehn Milliarden Franken für einen Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen. Warum ist ein solcher Rettungsschirm notwendig?

Hintergrund
Am Terminmarkt der europäischen Strombörsen verkaufen Schweizer Stromproduzenten ihre Produkte über mehrere Jahre im Voraus zum Preis, der heute für eine Lieferung zu diesem Zeitpunkt geboten wird. Damit sichern sie sich gegen Preisschwankungen ab und wissen ungefähr, was sie in Zukunft verdienen. Die Käufer, zum Beispiel Grossverbraucher oder Energieversorgungsunternehmen mit vielen Endkund:innen, sichern sich im Gegenzug eine garantierte Energielieferung zu einem festen Preis in der Zukunft. Beim Abschluss des Vertrags leisten beide Seiten Sicherheitsleistungen (initial margins). Diese sind nicht fix, sondern je nachdem, wie sich der Strompreis entwickelt, müssen Sicherheitsleistungen nachgezahlt werden (margin calls).
Seit dem starken Anstieg der Gas- und Strompreise im vergangenen Jahr und insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine müssen an den europäischen Energiemärkten für solche Absicherungsgeschäfte sehr hohe Sicherheitsleistungen erbracht werden. Bei einem margin call müssen innert 48 Stunden riesige Summen – teilweise in Milliardenhöhe – bereitgestellt werden. Das kann auch gut aufgestellte Unternehmen in Bedrängnis bringen, wenn sie das Geld nicht rechtzeitig über ihre Eigentümer oder auf dem Kreditmarkt beschaffen können. Im schlimmsten Fall könnte es zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion kommen. Geht ein systemkritischer Stromkonzern in Konkurs, kann er den Schweizer Energieversorgungsunternehmen und den Grosskund:innen nicht mehr beliefern, was die Schweizer Stromversorgung unmittelbar gefährdet.

Inhalt und Ziel der Vorlage
Der Bundesrat verabschiedete am 18.5.2022 die Botschaft für ein dringliches Bundesgesetz und einen Verpflichtungskredit über 10 Milliarden. Er wollte eigentlich, dass das Geschäft von beiden Räten in der Sommersession 22 behandelt würde. Das Büro des Nationalrats hat es aber abgelehnt, das Geschäft für dringlich zu erklären.
Der «Rettungsschirm» soll das Worst-Case-Szenario verhindern und sicherstellen, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch dann funktioniert, wenn es durch starke Preisaufschläge im internationalen Stromhandel zu einer Kettenreaktion in der Strombranche kommen sollte, die einen Systemkollaps zur Folge haben könnte. Systemkritische Schweizer Stromunternehmen sollen im Fall von aussergewöhnlichen Marktentwicklungen beim Bund Darlehen von bis zu 10 Milliarden zur temporären Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen können – nur im Fall, dass sie das Geld nicht auf einem anderen Weg beschaffen können. Als systemkritisch gelten Elektrizitätsunternehmen mit Sitz in der Schweiz, die in der Schweiz über mindestens 1200MW installierte Kraftwerksleistung verfügen und ihre Stromprodukte am Markt verkaufen. Weitere Unternehmen sollen sich freiwillig unter den Rettungsschirm stellen können.

Das Gesetz ist auf Ende 2026 befristet. Danach soll es von anderen Regeln abgelöst werden. Dazu gehören Vorschriften, die dafür sorgen, dass wichtige Funktionen wie die Stromproduktion jederzeit weiterbetrieben werden können (Business Continuity Management), ein Gesetz zur Integrität und Transparenz des Grosshandels von Strom und Gas sowie allfällige Vorgaben zur Liquidität und Kapitalausstattung.

Wesentliche Elemente